Maria Montessori: Ein Leben für die Kinder
Wer war diese Frau, deren Lebenswerk solche Früchte getragen hat? Maria Montessoris pädagogische Idee und ihr Konzept gingen um die ganze Welt. Leidenschaftlich setzte sie sich für die Rechte der Kinder auf eine ungestörte Entwicklung ein.
Maria Montessori wurde als einziges Kind von Alessandro und Renilde Montessori am 31. August 1870 in Chiaravalle (Provinz Ancona, Italien) geboren. Sie zog später mit ihren Eltern nach Rom und verbrachte dort ihre Jugend- und Studienzeit. Weil ihre naturwissenschaftliche Begabung offensichtlich war, besuchte sie nach der Grundschule eine technische Schule für Jungen, erkämpfte sich nach deren Abschluss einen Studienplatz in der Medizin und wurde 1896 die erste Ärztin Italiens.
Als Assistenzärztin an der psychiatrischen Klinik in Rom erkannte sie, dass die Betreuung geistig- und lernbehinderter Kinder nicht nur ein medizinisches Problem war, sondern auch ein Pädagogisches. Sie erforschte die Möglichkeiten, geistig geschädigten Kindern über die Sinneserziehung zu helfen und ihnen durch Eigenständigkeit mit gezielt entwickeltem didaktischem Material Lernanreize zu geben. Sie erzielte dabei überraschende Erfolge.
In dieser Zeit führte eine Liebesbeziehung mit dem Arzt Giuseppe Montesano 1898 zu Schwangerschaft und Geburt ihres Sohnes Mario. Da sie in damaliger Zeit als alleinerziehende Mutter alle beruflichen Möglichkeiten hätte aufgeben müssen, gab sie ihren Sohn in eine Pflegefamilie. Sie hielt regelmässig Kontakt zu ihm und nahm ihn als Fünfzehnjährigen endgültig zu sich. Mario wurde ihr zuverlässiger Begleiter, der ihr Lebenswerk nach ihrem Tode fortsetzte.
Angeregt durch die erfolgreiche pädagogische Arbeit mit geistig behinderten Kindern, nahm Maria Montessori ein weiteres Studium, nämlich das der Psychologie, Pädagogik und Philosophie auf und suchte nach einer Gelegenheit, ihre Erkenntnisse und Erfahrungen auf gesunde Kinder zu übertragen. Die Gelegenheit, gesunde Kinder in ihrer Entwicklung zu beobachten, ergab sich, als eine Wohnbaugenossenschaft in einem heruntergekommenen Wohnviertel Häuser sanierte und jemand für die Betreuung der verwahrlosten Vorschulkinder suchte. Im Jahre 1907 wurde das erste Kinderhaus in San Lorenzo, einem Vorort von Rom, eröffnet. Etwa 50 Kinder wurden von einer Frau betreut, die keine pädagogische Ausbildung hatte, ausser der Kenntnis der damals allgemein üblichen Erziehungspraxis. Montessori unterwies sie im Gebrauch des von ihr entwickelten Sinnesmaterials und liess sie im Übrigen gewähren. Maria Montessori selbst war damals Kinderärztin und Professorin für Anthropologie an der Universität Rom und kam regelmässig zur Beobachtung der Kinder ins Kinderhaus. Das Schlüsselerlebnis ihrer Beobachtung und der Beginn ihrer vollen Zuwendung zur Pädagogik beschreibt sie in ihrem Buch „Kinder sind anders“ (5,119): Sie beobachtete ein Kind, das in völlige Konzentration auf eine Tätigkeit versunken war und, nachdem der Arbeitszyklus endete, wie verwandelt wirkte: freudiger, freier, eigenständiger. Sie erkannte, wie sich die Kinder durch Eigentätigkeit mit dem „Sinnesmaterial“ und mit den „Übungen des täglichen Lebens“ in ihrer Arbeitshaltung und ihrem Sozialverhalten veränderten und entwickelte durch weitere gründliche Beobachtung der kindlichen Aktivitäten ihre pädagogischen Prinzipien.
1909 gab sie ihre Praxis als Kinderärztin auf und widmete sich ganz der Ausbildung von Erzieherinnen, Lehrerinnen und Lehrer für die Montessori-Kinderhäuser und –Schulen, die bald in vielen Ländern zahlreich gegründet wurden. Durch den 2. Weltkrieg und totalitäre Regierungssysteme in Deutschland, Italien und Spanien wurde ihr blühendes Lebenswerk teilweise zerstört, doch begann sie 1949 sofort wieder, in Europa zu wirken.
Am 6. Mai 1952, wenige Monate vor ihrem 82. Geburtstag, starb Maria Montessori im holländischen Noordwijk aan Zee.